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Priscilla Bucher

Eine schweizerische Texterin und Künstlerin. Sie stellt Ihre eigenen Texte auf Facebook.

Texte

Lauwarmes Wasser

Vielleicht hat George W. Bush damals die Twin Towers selbst in die Luft gesprengt.
Vielleicht holen sich irgendwelche Mächtigen einen auf Live-Drohnen-Angriffe runter.
Vielleicht war Buddha gar nicht verfressen, sondern einfach nur Diabetiker.
Vielleicht ist Jesus nie auferstanden, aber die Möglichkeit, ne fette Story draus zu machen, war einfach zu verlockend.
Vielleicht ist die Welt viel banaler als wir denken, und wir so gelangweilt, dass wir nicht anders können, als Titelstorys zu kreieren. Und zwar schon lange.
Vielleicht seit jeher.
Aber was weiß ich schon?
Ich löse mich erst seit gefühlt zwei Jahrzehnten wie ein Slimy aus der von meinen Eltern konservativ geprägten Verpackung namens Christentum.
Als schleimige, grüne Masse klebe ich trotz Abnabelung noch am Rand der prophezeiten Himmel-oder-Hölle-Pforte.
Diese Himmel-oder-Hölle-Wände sind meine größte Enttäuschung, seit ich in meiner Slimy-Packung geboren wurde. Ich glaube, das liegt daran, dass ich sie mir all die Zeit als starke Wände der Nächstenliebe eingeredet hatte.
Diese schmucken Wände, die von all meinen Glaubensgeschwistern auf der ganzen Welt gerne zur Schau getragen werden.
„Seht her! Gott ist Liebe!“
„Sieh her! Er liebt dich so sehr, dass er seinen einzigen Sohn für dich hergab!“
Ab da wird es leider recht eklig. Folter, Blut, Kreuzigung. Wirklich, das ganze Programm. Schon als Kind war mir klar, dass ich nie dafür gestimmt hätte.
Aber wer hat mich schon gefragt?
„Hey, Priscilla – bist du dafür, dass Jesus hier geschlachtet wird, damit du dafür in den Himmel kommst?“
„Welcher Himmel?“, wäre meine Antwort darauf gewesen. Ich war mir ja nicht mal sicher, ob es ein Leben nach dem Tod gab.
„Doch, doch, das gibt es“, antwortete man mir. „Das steht in der Bibel.“
Aber die Bibel wurde doch von Menschen geschrieben, dachte ich. Normalos mit Ängsten und Träumen wie wir.
„Nein“, sagte man mir. „Die Bibel ist Gottes Wort. Glaubst du denn an Gott?“
Ja, schon. Ich war mir da nicht so sicher. Ich war mehr Fragende als Glaubende. Obwohl Jesus durchaus ein großes Vorbild für mich war.
Doch das war nicht genug. „Glaubst du, dass Jesus für dich gestorben und auferstanden ist?“, fragte man mich.
Ich wollte ja gerne. Aber manchmal war ich ein kleinerer Zweifler und manchmal eben ein größerer.
„Hör zu“, wurde mir empfohlen. „Wenn du bei uns mitmachen möchtest, musst du glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist. Dass er auferstanden ist und dass alles, was in der Bibel steht, wahr ist.“
Alles? Das schien mir ein wenig übertrieben. Aber „Gott ist das lebendige Wort“, sagte man mir, auch wenn ich nicht wirklich wusste, was damit gemeint war, und „Deshalb nennt man das ja auch Glaube“.
Als ich antwortete, dass ich auch das nicht verstand, meinte man, ich müsse das nicht verstehen. „Es reicht, dass es Gott versteht. Du darfst jetzt einfach Gottes Kind sein und ihm kindlich vertrauen.“
Ich sagte, ich würde es mir überlegen. Sie sagten: „Lass dir Zeit. Mach dir keinen Stress. Aber es kann durchaus sein, dass du morgen stirbst. Also überlässt du vielleicht lieber nichts dem Zufall.“
Als ich entgegnete, dass ich nicht so aussah, als würde ich morgen sterben, wurde mir die Sache anders erklärt:
„Lass dich hiervon ermutigen“, hieß es. „Wenn du eine Entscheidung für Gott triffst, bist du wie heißes Wasser. Wenn du aber eine Entscheidung gegen Gott fällst, bist du wie kaltes Wasser. Oder umgekehrt. Die Reihenfolge ist nicht so wichtig.“ Man fuhr von der Reihenfolge unbeirrt fort: „Wenn du dich jedoch gar nicht entscheidest – also weder für noch gegen Gott, dann bist du lauwarm.“
Anschließend wurde ich aufgefordert, ich solle raten, was Gott mit lauwarmem Wasser macht.
Ich sagte: „Äh…“
Man ermutigte mich: „Sag schon, Priscilla, sag schon!“
Ich sagte: „Die Blumen gießen?“
Man lachte herzlich und schlug mir anerkennend auf die Schulter: „Du hast Humor!“, wurde ich gelobt. „Gott übrigens auch. Der lacht jetzt im Himmel, weil du so lustig bist und weil er Humor hat.“
Aber meine Antwort sei trotzdem falsch, fügte man ernst hinzu. „Die richtige Antwort ist: Lauwarmes Wasser spuckt Gott aus.“ Die Aussage wurde von Spuckgeräuschen begleitet. „Lauwarm. Pfui! Er spuckt es einfach aus.“
Das fand ich schade. Ich sagte „Okay“.
Zum Abschied wurde mir empfohlen, ich solle mich doch einfach melden. Man habe mich lieb und wolle schließlich nur mein Bestes. „Darum sind wir auch ehrlich zu dir. Wir können die Gute Nachricht zwar leider nicht jedem erzählen, aber du bist uns sehr wichtig. Mit dir hängen wir dann auch gerne im Himmel ab.“
Ich dachte mir nur, dass ich von Anfang an gegen die Todesstrafe gestimmt hätte. Dann stünde das mit der Auferstehung Jesu gar nicht zur Diskussion und niemand müsste lauwarmes Wasser ausspucken.
Ich dachte mir auch, ich wäre als Jesus vielleicht einfach heute gekommen. Dann hätte Snapchat alles mit drauf.

Text von Priscilla Bucher ©CillaJesalod

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